Review zu „Midnight parade“ von The Day | Ein erstes 2019er Album hat mein Herz erobert. Das Duo The Day fasziniert auf seinem Debüt mit einem Trademark-Sound zwischen Dream-Pop und 90er-Alternative, der hin und wieder dem Shoegaze auf die Füße glotzt. Ein Klangspektakel der Melodien.
The Day? Wer ist das denn?
Eine Band, bei der sich Redakteure immer bezüglich einem Detail der Biographie die Augen reiben. Die beiden Hauptakteure Laura und Gregor wohnen nämlich nicht in der gleichen Stadt und führen somit eine long-distance-band zwischen Hamburg und Utrecht. Nichtsdestotrotz ist dem Duo der steinige Weg von musikalischen Experimenten zum Debütalbum auf Qualitätslabel gelungen. Nachdem The Day auf ihrer langen EP „Strangers with familiar faces“ endgültig ihren Sound gefunden hatten, begannen die Arbeiten am Debütalbum. An „Midnight parade“ hängt also jahrelanges Getüftel – und das hört man der Platte an. Hier ist Herz für mehrere Langspieler drin.
Wie ist „Midnight parade“ aufgebaut?
Schon die reine Betrachtung der Tracklaufzeiten macht erkenntlich, dass es sich hier um kein bloßes Aneinanderreihen von Einzelstücken handelt. Mit „Island“ eröffnet erstmal ein Sechs-Minüter die Platte. Der Opener baut sich langsam auf, beginnt dann erst zum ersten Refrain nach einer guten Minute durch den Bass-Einsatz so richtig und erlaubt sich später so einige Dinge, die nur eine an sich glaubende Indie-Band so machen würde. Bass-Solo heißt es, dann Gitarren-Solo, ehe der Track bedächtig ausklingt. Weiter geht es mit den schmissigen Vorabtracks, die mit einem kurzen Interlude verbunden werden – gleich drei Mal existieren diese minimalistischen Soundtexturen auf „Midnight parade“ in Trackform. In der zweiten Hälfte werden The Day wieder etwas experimentierfreudiger und lassen in „We killed our hearts“ einen Hauch E-Street-Band erklingen. „Berlin“ breitet sich hingegen über sieben Minuten aus und macht Platz für magische Slowdive-Gitarren. Den erhellenden Abschluss leistet das warme „Illuminate“.
Was muss ich wissen, um meine Freunde zu beeindrucken?
Das wunderschöne Cover-Artwork stammt von der bekannten Fotografin Maria Svarbova (fast 250.000 Follower auf Instagram). Noch während des Entstehungsprozesses ließen sich The Day von dem Bild beeindrucken und beeinflussen und konnten ihr Glück kaum fassen, dass die Künstlerin schließlich der Verwendung als Albumcover zustimmte. Ein wirklich tolles Bild, welches der besonderen Atmosphäre der Platte angemessen ist.
Was sind die großen Momente?
Besonders verzückend ist das Ende der ersten Hälfte von „Midnight parade“. In Form von „Yet to come“ und „Exit sign“ hauen The Day ein Doppel heraus, an dem sich kommende Platten erstmal messen müssen. Ersterer muss ohnehin als vollkommener Track der Band gelten, die hier von der sanften Strophe über die abwartende Bridge bis zum großen Refrain drei Mal die Vögel abschießen. Wie in der Hook der dezente aber doch bestimmte Synthie-Bass im Hintergrund rumpelt – nicht nur live ein Vergnügen. Und dann wäre da ja noch die besondere Bridge, die mit simplem Speech-Sample den ausbrechenden letzten Refrain perfekt vorbereitet. Das direkt folgende „Exit sign“ ist da zurückhaltender, weniger offensiv hymnisch, imponiert aber mit dem fantastischen Zusammenspiel zwischen Strophe und Refrain. Während Laura zu Beginn eher über träge Töne schwebt, geht auf einmal ein Ruck durch den Song, wenn die Drums in ein simples Dance-Riff wechseln. Ganz fein! Auch erwähnt an dieser Stelle sei der tolle Closer „Illuminate“, der im Refrain seinem Namen alle Ehre macht und für ein erhellendes Erlebnis sorgt.
Wann sollte ich die Platte auflegen?
„Midnight parade“ ist vor allem ein sehr homogenes Gesamtpaket. Durch seine tolle Balance zwischen Geradlinigkeit und Verträumtheit ist die Platte sicher ein tolles Rezept für… eigentlich alles. Sei es Seelenschmerz, fehlende Motivation, mangelndes Vitamin D, Ausweglosigkeit oder all die anderen Dinge, die im Winter gerne mal auftreten: The Day sind das erste Helferchen. Da tut es gut, mal einen schmissigen Track wie „Grow“ aufzulegen, der gleichzeitig seine Traumwelt nichtmal um einen Schritt verlassen möchte. Richtig tief eintauchen ist auch möglich, zum Beispiel mit den opulenten „Berlin“ und „Island“. Und eben besagtes Doppel aus „Yet to come“ und „Exit sign“ kann mit seiner emotionalen Wucht gerne mal ein Fünkchen Hoffnung entspringen lassen. Genau das, was die Welt gerade braucht!
Ihr wollt noch mehr The Day? Ich habe Laura und Gregor an ihrem ersten Tourtag in Mainz begleitet und hier meine Beobachtungen geäußert. Sehr spannend & eine wahnsinnig nette Truppe! Hier solltet ihr außerdem reinhören.