Turbostaat? Wieso hast du die denn ausgegraben?
Die Nordlichter von Turbostaat sind wohl seit einem guten Jahr meine deutsche Lieblingsband. Mit „Abalonia“ hat mich das Quintett endgültig gepackt. Und in Folge hab ich mich auch intensiver mit dem alten Material beschäftigt, welches die Jungs ja live weiterhin ausgiebig performen. A apropos live: Keine Shows haben mich so sehr umgehauen, wie die beiden Clubkonzerte, die ich von Turbostaat gesehen habe. Jetzt aber genug mit dem unbegründeten Lob. Wieso ist die Musik der Jungs so genial? Weil sie wunderbare Gitarrenmelodien mit viel Power und Emotion mischt. Ein absoluter Signature-Sound, mit dem alle Melodie-liebenden Menschen etwas anfangen können.
Was kann denn nun ausgerechnet „Schwan“?
„Schwan“ ist das zweite Album von Turbostaat – noch auf dem Indielabel „Schiffen“ veröffentlicht. Danach ging das Quintett zumindest teilweise zum Major. Attitüde und Songwriting blieben gleich, der Sound veränderte sich ein wenig. Auch wenn die folgenden Platten „Vormann leis“ und „Das Island Manöver“ vielleicht überzeugendere Einzeltracks enthalten (und auch im Gesamten ziemlich stark sind), hat „Schwan“ einen gewissen emotionalen Charme.
Welches sind die großen Momente auf „Schwan“?
Die Passage vom dritten Lied „Es fehlte was im 2ten Karton“ bis „Holland in Not“ ist ein einziger, auditiver Genuss, der die Vielseitigkeit von Turbostaat gekonnt darstellt. Das knallende „Pop national“, in dem Sänger Jan Windmeier sich nach dem starken Gitarren-Intro die Seele aus dem Leib schreit, oder doch „Prima Wetter“, das mit gelesenen Zeilen ein wenig Kontrastprogramm liefert. Ganz großes Highlight ist jedoch „Monstermutter“, welches Turbostaat auch heute gerne noch am Ende von Konzerten spielen. Ein etwas ruhigeres Lied mit großem Refrain und großartig mäandernden Gitarren.
Wieso muss der denn immer schreien?
Ja, Jan’s Gesprech/Gesang kann am Anfang ein bisschen abschreckend wirken. Zumindest den Leuten gegenüber, die der Musik etwas härterer Gangart nicht zugeneigt sind. Absolut verständlich. Hier rate ich aber allen: Springt über euren Schatten! Unter der teils wüsten Fassade findet ihr ganz sicher etwas, was euch gefällt. Eine Textzeile, ein Bassriff, eine Gitarrenmelodie: Großartige gibt es von diesen sowas von genug. Nicht nur in „Es fehlte was im 2ten Karton“ hört man Interpol-ähnliche Gitarrenlinien. Ein guter Song zum Einsteigen ist dafür wahrscheinlich der Titeltrack, der Ohrwurm-Charakter hat. Und wenn man diese genialen Momente mal entdeckt hat, geht es so richtig los.
Was muss ich wissen, um meine Freunde zu beeindrucken?
Mehr als drei Songs gibt es von „Schwan“ heutzutage auf Turbostaat-Konzerten selten zu hören. Verständlich bei der Dichte an großartigen Liedern, die auf den Nachfolgern vertreten sind. Vor nicht allzu langer Zeit haben die Husumer jedoch die ganze Platte am Stück durchgespielt: im Rahmen ihrer „15 Jahre, zwei Abende, 63 Songs“-Tour. Für diese spielten Turbostaat in einigen Städten alle Lieder ihrer damals fünf Alben an zwei Abenden chronologisch durch. Schöne Idee. Wiederholungsbedarf sei hiermit angemeldet.
Wann sollte ich „Schwan“ am besten auflegen?
Am besten in vertrauter Runde – mit den Mädels und Jungs beim Grillen oder Kochen. Auch wenn sich auf „Schwan“ für jeden etwas finden lässt, funktioniert es am besten mit Leuten, die ebenfalls etwas damit verbinden. Wenn man von diesem intensiven Album im falschen Moment erwischt wird, schreibt man es eventuell unverdient ab. Von daher: behutsam und bedacht angehen.
Das großartige „Monstermutter“ ist auch im aktuellen that new music mix zu finden.